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Der Franke

Ein Herz für Franken

Östlich Nürnbergs entdeckte ich an einer Baustelle ein Hygieneklo mit einem Werbeaufdruck des Herstellers, gekrönt vom Satz "Ihr Geschäft ist unser täglich Brot". Ähnliche Formulierkunst bewies ein fränkischer Schützenverein, der mit dem Slogan warb: "Schießen lernen, Freunde treffen!". War es gewollter Witz, ist er richtig gut. War es unbeabsichtigte Komik, ist sie großartig. So oder so geben beide Sprüche ein Stück fränkische Seele preis: die Bereitschaft, sich mit dem Unausweichlichen zu arrangieren.

Mehr als zwei Jahrhunderte unter der bayerischen Zwangsherrschaft dahinleidend, ist das für den Franken der Königsweg. Er gefällt sich in der Rolle des ewigen Zweiten oder Dritten. Im Fußball reicht es noch deutlich weiter hinten. Was ja alles nicht unklug ist! Vom zweiten auf den dritten Platz zu rutschen oder von Platz 14 auf 15 ist weit weniger tragisch als die beanspruchte Führungsposition zu verlieren. Und wenn bei Bayern München ein Unentschieden zu Krisensitzungen führt, ist der Clubberer mit einem solchen Ergebnis oft hochzufrieden.

Wer ist da nun in der wirklich besseren Position, wer ist glücklicher? Das Leben an sich ist ein Geben und Nehmen. Jedoch beim Mia-San-Mia-Bayern ist das Leben ein Nehmen und Haben. Beim Franken dagegen ist das Leben ein Wollen und Wünschen, oder ein Suchen und Suchen. Oder ein Geben und Verlieren. Doch wer von beiden kommt symphatischer rüber?
Laut einer bundesweiten Umfrage sind wir Franken das 4.-glücklichste Volk in Deutschland. Gut, wir zeigen es keinem. Aber wir sind es, ob es uns passt oder nicht. Wir sind eigen. Ja und? Wir kommen mit uns zurecht. Unseren Dialekt findet man wahlweise witzig, sympathisch, ordinär, primitiv, komisch, authentisch oder versteht ihn schlicht nicht. Auch damit lässt sich leben.
Und was die vielbeschworenen fränkischen Eigenheiten und Kauzigkeiten anbelangt: mitten in Franken hatte ich über viel zu viele Jahre hinweg einen schwäbischen Nachbarn. Und dieser Nachbar war für mich keine Freude. Er schaffte sogar etwas, was ich in meinem Leben nie für möglich gehalten hätte. Er brachte mich dazu, eines guten Tages entnervt samt Familie den Wohnort zu wechseln. Und wenn an der Typisierung des Franken was dran ist, dann war dieser Nachbar, obwohl Schwabe, fränkischer als es ein Franke je sein kann. Er präsentierte sich mir über die Jahre als groteske Überhöhung jeglichen fränkischen Klischees. Mumpflerd. Maulfaul. Nicht grüßend. Launisch. Unfreundlich. Eigenbrötlerisch und übellaunig den Kindern gegenüber. Alles im grellen Übermaß. Wäre nicht der Dialekt hätte man sagen können: fränkischer geht's nimmer. Doch dieser Herr Schwabe, der bereits seit über 25 Jahren in seiner mittelfränkischen Schwabenwabe haust, sagte von sich, er sei hier in Franken noch so gar nicht angekommen und in keinster Weise assimiliert. Das war mir erst mal Trost. Und es nährte meine Überzeugung: Wir sind längst nicht so schlimm, wie Manche sein können, von denen Andere denken, die seien wie wir.